Statements zum Film

Fredi Murer, Filmemacher:

 

Was hat Edwin Beeler mit HEXENKINDER wieder für einen unmenschlich menschlichen Film auf die Leinwand gezaubert. Seine hochsympathischen Hauptdarsteller, zwei Damen und drei Herren in ihrem besten Alter, müssten heute eigentlich um die 350 Jahre alt sein, denn sie alle verbrachten ihre Kindheit im tiefsten Mittelalter. Genauer gesagt, in christlich geführten Kinderheimen, hier in unserer heilen Schweiz.

Dieser starke und gleichzeitig sehr intime Film ist durchwegs getragen von magischen Landschaften und szenischen Sequenzen von einer authentischen Intensität, von der wir vom Spielfilm nur träumen können. – Ein Film ganz im Sinne von Tolstoi: «Wenn du der Welt universelle Geschichten erzählen willst, erzähle über dein Dorf.»

Michael Meier, Journalist (Tagesanzeiger u.a.):

 

Es ist sehr wohl statthaft, die Heimkinder mit den Hexenkindern von damals zu vergleichen, vor allem von den Tätern her. Die psychologischen Mechanismen sind aktuell wie damals die gleichen: Schattenkämpfe mit der eigenen Psyche: Das Böse, der Teufel wird in vermeintlich Besessene projiziert. Gerade kirchliche Exponenten, die ihre Sexualität nicht leben und selber nicht umarmt werden, reflektieren ihren Schatten nicht und sind kaum fähig zur Empathie. Der Sündenbock-Mechanismus spielt zu allen Zeiten. Religiös überhöht landet er automatisch beim Teufel und seinen Dämonen. Die Analogie - über die ganz verschiedenen sozialen Gegebenheiten hinweg - scheint mir auch deshalb legitim, weil der Film ja über das Dokumentarische hinaus geht - beispielsweise mit den vielen suggestiven Bildern.

Dr. Erwin Koller, früherer Leiter der Sternstunden des Schweizer Fernsehens:

 

Nein, sie werden nicht mehr hingerichtet wie im 17. Jahrhundert: Hexenkinder, kaum zehn Jahre alt, geboren von ledigen Müttern, verstossen von ihren Vätern, an keinem Ort der achtbaren Gesellschaft auch nur geduldet, und darum – wen wunderts – auffällig und unangepasst.

Und doch: Was Heimkinder noch vor zwei Generationen an verschiedenen Orten der Schweiz erlebt haben, wie sie bis weit über die Mitte des letzten Jahrhunderts hinaus auch von Klosterfrauen malträtiert wurden, mit wel-chen Ängsten und seelischen Verwundungen sie fertig werden mussten, das ist unerhört und geht auf keine Kuhhaut.

Edwin Beeler erzählt diese Geschichten wie immer in seinen Filmen mit grösster Sorgfalt und hohem Respekt, einfühlsam beobachtend, Vertrauen schaffend, Anteil nehmend, doch nie verurteilend. Und er gestaltet zwischen den Schicksalen kleine Oasen, die ausatmen lassen, Ruhe schaffen, auch Hoffnung stiften in die vitale Überlebenskunst schwerstgeprüfter Menschen.

Denn trotz allem gelingt es Edwin Beeler, dem Träger des Innerschweizer Kulturpreises 2017, dass sein Dokumentarfilm kein Trauerstück wird, keinen Weltpessimismus verbreitet und nicht in Depressionen gefangen bleibt. Er lässt Personen sehr authentisch erzählen, wie sie zwar oft noch auf Zeichen der Reue warten, aber doch ohne Verbitterung mit dem fertig geworden sind, was die Lebensgeschichte ihnen angetan hat. 

Zu wünschen bleibt, dass die Täterinnen und Täter und auch die Klostergemeinschaften, die Verantwortung trugen, endlich hinstehen und um Entschuldigung bitten. Der Film liefert die Vorlage dafür: ein Betroffener berichtet von einer Begegnung mit Abt Georg Holzherr von Einsiedeln, der dies im Namen der Kirche ihm gegenüber getan hat. 

Nicht zuletzt aber stehen auch jene in der Verantwortung, die mit ihrer moralisierenden Sexualfeindschaft und ihrem Hexenglauben das ideologische Fundament für diese leidvolle und unmenschliche Geschichte geschaffen haben.

Zur Aufarbeitung dieser Geschichte tragen freilich auch Sie bei, liebe Leserin, lieber Leser, wenn sie den Film anschauen und sich in Gesprächen mit dem Thema auseinandersetzen. Etwa mit der Frage, warum das Recht auf Kindheit ein Menschenrecht ist.

Sergio Devecchi:

 

Edwin Beeler ha realizzato un film molto bello.

Con molta sensibilità  ha saputo riprodurre la sofferenza, il dolore, la solitudine e l'impotenza dei nostri ex bambini collocati in istituto. Sono immagini che toccano direttamente il cuore.  Incorporando anche le vicissitudini  crudeli che i "figli delle streghe" hanno dovuto sopportare nel Medioevo, il film assume anche una dimensione storica in un contesto temporale più ampio.

Le persone non conformi - allora erano le "streghe" e i loro "figli delle streghe" - oggi quelle afflitte dalla povertà e rifiutate dal sistema, i figli illegittimi, le loro madri, i migranti ecc., fanno fatica ancora oggi. È come se ci fosse un filo rosso che attraversa l'umanità nel tempo.

Semplicemente non siamo in grado di superare questa malvagia ricorrente stigmatizzazione di "essere diversi".

Spero vivamente che il film contribuirà non solo a sviluppare sentimenti di tolleranza per le persone deboli e per quelle a rischio di esclusione, ma che riuscirà

anche a far emergere nelle coscienze individuali e collettive la comprensione del PERCHÉ!

 

Cornelia Rumo Wettstein, Curaviva Schweiz

 

Auf eindrückliche Weise zeigt der Film, wie sich die fünf Hauptdarsteller nicht haben brechen lassen. Ich habe mich unweigerlich gefragt, wie sie das geschafft haben.

Der äusserst beeindruckende Film kommt ab 17. September in die Deutschschweizer Kinos.

Kurt Messmer, freier Mitarbeiter des Instituts Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen IGE an der PH Luzern sowie freischaffender Historiker:

 

Im Film «Hexenkinder» von Edwin Beeler berichten ehemals zwangsversorgte «Zöglinge» von ihrer Jugendzeit in mehreren Heimen der Schweiz. Sie wurden von Ordensschwestern über Jahre hinweg misshandelt, körperlich und seelisch systematisch gepeinigt. Es ist ein grosses Verdienst von Beeler, dass er den Opfern – Jahrzehnte danach – ein Gesicht und eine Stimme gibt.

Der eindringliche Film dokumentiert das erlittene Leid der Betroffenen, bringt ein spätes Eingeständnis der Gesellschaft zum Ausdruck und wird so Teil einer nachträglich öffentlichen Abbitte. Die Biografien der einst Ausgeschlossenen werden eingeschlossen in das kollektive Gedächtnis. Mit dem zusätzlichen Bericht von «Hexenkindern», die im 17. Jahrhundert hingerichtet wurden, verleiht Edwin Beeler dem Leid von Kindern eine historische Dimension, Mahnung für Gegenwart und Zukunft.